Positionspapier 12-24-14
BÜNDNIS DEUTSCHLAND fordert in einem Maßnahmenkatalog die deutliche Verbesserung der häuslichen Pflege und somit auch die Entlastung von pflegender Familienangehörigen.
Die demografische Entwicklung in Deutschland zeigt deutlich, dass der Bedarf an Pflegeleistungen, insbesondere in der häuslichen Pflege, weiter zunehmen wird. Um dieser Herausforderung zu begegnen, ist es unerlässlich, dass Pflege in all ihren Facetten – ambulante Pflege, familiäre und nachbarschaftliche Pflege und betreutes Wohnen in häuslicher Umgebung – grundlegend reformiert wird.
Für BÜNDNIS DEUTSCHLAND muss es Ziel sein,
- Pflegebedürftige in den Mittelpunkt der Versorgung zu stellen;
- Pflegebedürftige in ihrer gewohnten Umgebung bestmöglich durch individuelle Fähigkeiten und Ressourcen zu fördern;
- Pflegebedürftige und deren Angehörigen zu unterstützen;
- die Angehörigen von Pflegebedürftigen zu entlasten
- eine hohe Qualität der Pflege sicherzustellen.
Des Weiteren befürwortet BÜNDNIS DEUTSCHLAND die häusliche Pflege vor der stationären Unterbringung, da ein vertrautes Umfeld zusätzlich für Wohlbefinden der Pflegebedürftigen sorgt, denn niemand möchte sein vertrautes Umfeld verlassen müssen.
1. Stärkung der ambulanten Pflege
Erweiterung der ambulanten Pflegedienste
- Förderung ambulanter Pflegedienste: Ambulante Pflegedienste spielen eine Schlüsselrolle in der häuslichen Pflege wie auch bei der Unterstützung von medizinischen, therapeutischen und sozialen Aktivitäten. Sie müssen durch gezielte finanzielle Unterstützung und Bürokratieabbau gestärkt werden, um flexibler und leistungsfähiger agieren zu können.
- Intensive Pflegedienste ausbauen: Für Menschen mit hohem Pflegebedarf, etwa aufgrund schwerer körperlicher oder geistiger Einschränkungen, ist die intensive ambulante Pflege unerlässlich. Hier gilt es, die Finanzierung und personellen Ressourcen gezielt aufzustocken, um Lücken in der Versorgung zu schließen.
Unterstützung pflegender Angehöriger
- Pflegegeld erhöhen und flexibilisieren: Das Pflegegeld sollte bedarfsgerecht erhöht werden, um pflegende Angehörige zu entlasten. Es muss den Pflegegrad besser berücksichtigen und an das bedarfsgerechte Angebot gesundheitlicher und pflegerischer Leistungen gekoppelt sein. Gezielte Weiterbildungen für Angehörige als Angebotsmaßnahme sind wünschenswert und zu empfehlen.
- Verhinderungspflege ausweiten: Die Verhinderungspflege sollte unbürokratisch zugänglich und flexibel nutzbar sein. Der Anspruch auf Verhinderungspflege ist zu erhöhen, um Angehörige in ihrem Pflegealltag effektiv zu entlasten und ihre Gesundheit zu schützen.
Haushaltshilfe und Hilfsmittel
- Erweiterung von Haushaltshilfen: Um pflegende Angehörige zu unterstützen, müssen Haushaltshilfen durch die Pflege- und Krankenkassen umfassender finanziert und organisiert werden und nicht von den Pflegediensten geleistet werden. Pflegebedürftige sollten einfach und unkompliziert auf diese Leistungen zugreifen können.
- Hilfsmittelversorgung optimieren: Technische Hilfsmittel sind oft entscheidend, um die Pflege zuhause zu erleichtern. Krankenkassen sollten verpflichtet werden, die Hilfsmittelversorgung zeitnah und unbürokratisch zu gewährleisten, ohne nach ärztlich begründetem Widerspruch, in einen kostspieligen und zeitintensiven Rechtsstreit einzutreten.
2. Stärkung der häuslichen Pflege und betreuten Wohnformen
Betreutes Wohnen, Mehrgenerationenwohnen, Sozialwohnungen und Wohngemeinschaften
- Förderung betreuter Wohnformen: Betreutes Wohnen bietet Pflegebedürftigen eine flexible Alternative zur vollstationären Pflege und ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben. Hier müssen Förderprogramme aufgesetzt werden, um den Ausbau solcher Wohnformen voranzutreiben.
- Mehrgenerationenwohnen fördern: Das Mehrgenerationenwohnen, nicht zu verwechseln mit dem Mehrgenerationenhaus, bietet Pflegebedürftigen eine unterstützende und größtenteils unabhängige Wohngemeinschaft unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten an. Unter Mehrgenerationenwohnen versteht man ein Mehrparteienhaus, in dem Personen aus unterschiedlichen Generationen zusammenwohnen und sich gegenseitig unterstützen. Mehrgenerationenwohnen bietet Unterstützung im Alltag und durch einen meist barrierefreien Bau, viele Erleichterungen im Alltag. Solche Konzepte müssen finanziell gefördert und unterstützt werden, denn sie ermöglichen ein Leben in Würde durch Unabhängigkeit und Kontaktmöglichkeiten. Ein häusliches Umfeld ist kostengünstiger als die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung und Pflegebedürftige fühlen sich durch soziale Integration wohl.
- Sozialwohnungen für Pflegebedürftige: Der Bedarf an barrierefreien und bezahlbaren Sozialwohnungen für Pflegebedürftige wächst. Die Bereitstellung von entsprechenden Wohnmöglichkeiten, muss Priorität haben, um eine wohnortnahe Pflege zu ermöglichen und die stationäre Unterbringung so weit wie möglich in die Ferne rücken lassen.
- Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige schaffen: Pflegebedürftige sind bei fehlenden sozialen Kontakten von Vereinsamung bedroht. Um dieser Bedrohung entgegenzuwirken sind Wohngemeinschaften ein wesentlicher Bestandteil der häuslichen Pflege und sollen als Alternative zu gewohnten Versorgungsformen berücksichtigt und gefördert werden, denn In Wohngemeinschaften leben mehrere Pflegebedürftige zusammen unter einem Dach. Meist werden Betreuung- und Unterstützungsangebote gemeinsam genutzt und senken dadurch Kosten.
Qualitätssicherung in stationären Einrichtungen zur Vorbereitung auf ein selbstbestimmtes Leben in der häuslichen Pflege
- Personalschlüssel verbessern: Der Personalschlüssel in stationären Pflegeeinrichtungen muss angepasst werden, um die Qualität der Pflege sicherzustellen und die Pflegebedürftigen optimal auf ein eigenes Leben vorzubereiten. Dies betrifft insbesondere Pflegekräfte im Bereich der medizinischen und pädagogischen Versorgung und bei geistigen Einschränkungen.
- Ausbau der ärztlichen Behandlung in Pflegeheimen: Die medizinische Versorgung und ärztliche Betreuung in Pflegeheimen muss weiter ausgebaut werden. Regelmäßige ärztliche Visiten und eine engere Verzahnung zwischen Pflegekräften, Therapeuten und Ärzten sind notwendig. Pflegebedürftige müssen in diesen Prozess miteingebunden werden, um zu erlernen selbst für sich und ihre Gesundheit sorgen zu können.
3. Finanzierung und rechtliche Rahmenbedingungen
Pflegeversicherung reformieren
- Leistungserweiterung der Pflegekassen: Die Leistungen der Pflegekassen müssen bedarfsgerecht erweitert werden, um der steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen gerecht zu werden. Hierzu zählt die verbesserte Finanzierung von Pflegediensten, aber auch die direkte Unterstützung von pflegenden Angehörigen.
- Entbürokratisierung der Pflegeleistungen: Der Zugang zu Pflegeleistungen ist oft zu bürokratisch und kompliziert. Es bedarf einer umfassenden Reform, um die Antragstellung und Abrechnung einfacher und transparenter zu gestalten. Ebenfalls ist zu überlegen, ob die Pflegekasse und Krankenkasse zu einer Gesundheitskasse zusammengelegt werden und in die öffentliche Hand übergehen.
Pflegeberufe attraktiver gestalten
- Vergütung und Arbeitsbedingungen verbessern: Die Pflegeberufe müssen durch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen attraktiver gestaltet werden. Dazu gehört auch die Möglichkeit, sich fortzubilden und in Führungspositionen aufzusteigen.
- Pflegeausbildung fördern: Die duale Ausbildung in der Pflege muss gestärkt werden, um den Fachkräftemangel zu beheben. Dabei sollen besonders Quereinsteiger und europäische Fachkräfte stärker gefördert werden. Eine gute duale Ausbildung erfordert geschultes Fachpersonal und ausreichend vorhandene Praxisanleiter, die ihren Auszubildenden Fachwissen vermitteln. Hier gilt es zu fördern und weiterzubilden, um eine Praxisanleitung gewährleisten zu können.
4. Langfristige Lösungsansätze
Digitalisierung und technologische Unterstützung
- Pflege durch Digitalisierung erleichtern: Digitale Lösungen, wie etwa Telemedizin oder smarte Assistenzsysteme, können die häusliche Pflege erheblich erleichtern. Hier sind Forschung und Entwicklung zu fördern und die Krankenkassen sollten verpflichtet werden, entsprechende technologische Hilfsmittel zu finanzieren.
- E-Health in der Pflege: Die Einführung der DSG-VO-konformen digitalen Patientenakten, auf die der Staat und Pharmaunternehmen keinen Zugriff haben und eine enge Verzahnung der verschiedenen Akteure im Gesundheitssystem (Pflegedienste, Ärzte, Sanitätshäuser, Krankenhäuser) sind notwendig, um eine durchgängige Pflegequalität zu gewährleisten.
- Pflege als Profession: Entwicklung der Pflege von Beruf zu Profession durch eine universitäre Ausbildung der theoretischen Grundlagen und einer Berufsethik wie in Österreich.
Integration von Präventionsmaßnahmen
- Prävention in der Pflege verstärken: Durch frühzeitige Präventionsmaßnahmen lassen sich Pflegebedürftigkeit und Pflegeaufwand reduzieren. Hierzu zählen Programme zur gesunden Ernährung für Pflegebedürftige und geistiger Aktivitäten besonders für Senioren. Ebenfalls zu empfehlen ist eine Sturzprävention, als Prophylaxen hierzu wären zum Beispiel generelle Bewegungsübungen durchzuführen, Stolperfallen zu entfernen, festes Schuhwerk zu tragen, bereits vorhandene Hilfsmittel wie etwa Rollstühle, Rollatoren oder Gehstöcke zu nutzen und ein Vitamin D Screening bezüglich Körpergleichgewicht und etc., wobei das Screening in der häuslichen Pflege mit einem Hausarzt erfolgen sollte.
BÜNDNIS DEUTSCHLAND fordert deshalb,
- die häusliche Pflege so lange wie möglich zu ermöglichen und zu verbessern;
- die pflegenden Angehörigen zu entlasten;
- die Qualität der Pflege und des Wohlbefindens zu sichern;
- eine umfassende Reform der Pflegeversicherung;
- den Ausbau ambulanter und intensiver Dienste;
- eine stärkere Integration des technologischen Fortschritts;
- jedem Pflegebedürftigen ein Leben in Würde zu ermöglichen – im eigenen Zuhause, in betreuten Wohnformen oder in einer Wohngemeinschaft.