Positionspapier 8-24-3
In Deutschland stehen ca. 29.000 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 62 GW. Für 2024 werden insgesamt 120 TWh an erzeugter Energie durch diese Anlagen prognostiziert, wodurch Windkraftanlagen für ca. 27% der Gesamterzeugung verantwortlich sind.[1]
Das klingt auf den ersten Blick wunderbar. Doch sieht man etwas genauer hin, so ergeben sich aus Sicht von BÜNDNIS DEUTSCHLAND doch einige Probleme. Eine Erzeugung von 120 TWh bei 62 GW installierter Leistung bedeutet, dass eine Windkraftanlage im Durchschnitt 1.940 Stunden oder 81 Tage im Jahr bei voller Leistung läuft. Eine durchschnittliche Anlage steht also 284 Tage im Jahr still. Damit beträgt die Auslastung im Durchschnitt lediglich 22%.
Ein weiterer kritischer Aspekt ist der Flächenbedarf. Bei Freiflächenanlagen werden durch das Fundament und die dauerhaft benötigte Zuwegung Flächen versiegelt bzw. unnutzbar gemacht. Bei Anlagen, die im Wald stehen, muss außerdem rund um die Anlage noch ein großer Bereich frei von Bäumen bleiben und kann nicht anderweitig genutzt werden. Dadurch ergibt sich im Durchschnitt ein Flächenbedarf von ca. 1400 m² pro erzeugter GWh.[2]
Verglichen mit dem Flächenbedarf von ca. 20 m² pro GWh für Kernkraftwerke[3]wird schnell deutlich, dass die benötigten Flächen um ein Vielfaches höher sind. Nicht mit inbegriffen ist der zusätzliche Flächenbedarf für neue Stromleitungen, die nur aufgrund der dezentralen Stromerzeugung gebaut werden müssen.
Doch was genau ist so problematisch an diesen Zahlen und worin liegen die Gründe?
Strom muss zu dem Zeitpunkt bereitgestellt werden, zu dem er benötigt wird. Angebot und Nachfrage müssen immer im Gleichgewicht sein, sonst bricht das System zusammen und Stromausfälle mit all ihren Konsequenzen sind die Folge.
Der durch Windkraftanlagen erzeugte Strom kann nicht nach Belieben in jedes Eck im Land transportiert werden, da die Kapazitäten der Stromleitungen dafür oft nicht ausreichen. Diese sind nämlich für eine zentrale Stromerzeugung durch große Kraftwerke ausgelegt. Wird also in einer Region zu viel Strom produziert, müssen Windkraftanlagen oft heruntergefahren werden, um das Netz vor einer Überlastung zu schützen. Das heißt, die Anlagen stehen still, obwohl sie laufen könnten, weil das Stromnetz den Transport nicht stemmen kann. Windkraftbetreiber werden aber trotzdem bezahlt[4] – ihnen steht eine Entschädigung zu, denn sie könnten ja theoretisch produzieren. Es werden also entgangene Gewinne der Anlagenbetreiber durch die Gesellschaft getragen.[5] Im Jahr 2021 betrugen diese Entschädigungen 807 Mio. Euro.[6]
Um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aber dennoch zu wahren, muss der fehlende Strom jetzt an anderer Stelle produziert werden. In der Regel bedeutet das, dass Strom aus dem Ausland gekauft wird oder Reservekraftwerke hochgefahren werden. In der Regel sind das Kohle- oder Gaskraftwerke. Diese Reservekraftwerke müssen dauerhaft in Bereitschaft stehen und werden hierfür auch bezahlt. Im Jahr 2022 betrugen allein die Bereithaltungskosten 390 Mio. Euro. Dazu kommen die Kosten für die eigentliche Stromproduktion. Der Netzreservebedarf betrug 2021 ca. 5,7 GW während er für 2026 auf 9,2 GW geschätzt wird.[7] Das Problem wird sich also noch verschärfen.
Ein weiterer Grund für den Stillstand der Windkraftanlagen ist logischerweise eine Windflaute. Wenn kein Wind weht, drehen sich die Rotoren auch nicht. Der fehlende Strom muss auch hier durch andere Kraftwerke produziert werden. Das Problem: konstant und stetig wehenden Wind kann niemand garantieren. Das heißt, es muss zwangsläufig immer eine Alternative geben, die im Fall der Fälle einspringt. Besonders kritisch wird es während einer Dunkelflaute, wie sie im November 2024 aufgetreten ist.[8] Dann weht deutschlandweit kein Wind und die Sonne scheint auch nicht, sodass weder Wind- noch Solarenergie bereitgestellt werden kann.
Der Standort spielt beim Ertrag ebenfalls eine wesentliche Rolle. Nur 15% der Anlagen arbeiten bei einer Auslastung von mehr als 30%. Von diesen wenigen Anlagen stehen 83% an der Küste im Norden Deutschlands. Dort weht der Wind kräftiger und stetiger als im Süden Deutschlands. In Baden‑Württemberg werden die Windräder durchschnittlich nur zu 17% ausgelastet. Der größte Stromverbrauch besteht aber in Süddeutschland und im Ruhrgebiet. Dort konzentriert sich die energieintensive Industrie. Bayern und Baden‑Württemberg benötigen zusammen ca. drei Mal so viel Strom wie die fünf norddeutschen Bundesländer zusammen.[9] Das heißt, der Süden Deutschlands ist für Windkraft nicht gut geeignet, benötigt jedoch sehr viel Strom. Diese Diskrepanz führt auch zu den vielen Redispatch-Maßnahmen.
Betrachtet man den Flächenbedarf, so sind vor allem Windkraftanlagen im Wald problematisch. Für den Bau müssen Flächen für die Zuwegung und für den eigentlichen Bau von ca. einem Hektar freigemacht werden. Ist der Bau abgeschlossen, so können Teile dieser Flächen wieder aufgeforstet werden. Für die restlichen Flächen sind die Betreiber verpflichtet, an anderer Stelle für Ausgleich zu sorgen.[10]
Sieht man davon ab, dass genau diese ausgleichende Aufforstung Jahrzehnte braucht, gibt es trotzdem noch andere Probleme.[11] Die Auswirkungen der Anlagen auf das Mikroklima in den betroffenen Wäldern sind nicht erforscht. Die Baumlücken haben einen Einfluss auf das Klima im Wald, genauso wie die Bodenverdichtung durch den Bau einen permanenten negativen Einfluss auf den Waldboden hat. Der Lebensraum Wald ist für bestimmte Arten auch dauerhaft gestört, wodurch möglicherweise permanente negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt zu befürchten sind.
Gibt es weitere Problemfelder?
Neben den erwähnten Themen bringen Windräder auch andere Probleme mit unterschiedlichen Auswirkungen mit sich.
Besonders bekannt ist der sogenannte Infraschall. Dabei handelt es sich um Schallwellen in einem Wellenbereich, der durch Menschen nicht hörbar ist. Es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass die negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch Infraschall der Windräder auf Menschen nur aus der Erwartung der negativen Auswirkungen entstehen, also ein sogenannter Nocebo-Effekt.[12]
Weitere Studien legen nahe, dass der Schallpegel der Windkraftanlagen zu niedrig ist, um einen Effekt auf Menschen zu haben.[13]Viele andere Studien legen jedoch einen direkten Zusammenhang nahe.[14]
Anders ausgedrückt: Es gibt gesundheitliche Auswirkungen, die Ursache und der genaue Umfang ist jedoch nicht abschließend geklärt, auch wenn vieles darauf hindeutet, dass der Infraschall nicht dafür verantwortlich ist.
Auch für Vögel und Fledermäuse stellen die Anlagen eine Gefahr dar. Die Tiere können von den Rotoren erfasst und dabei getötet werden. Etwa 100.000 Vögel und 200.000 Fledermäuse sterben so jedes Jahr durch Windräder.[15]
Zu erwähnen sind auch kleinere Themen, wie der periodische Schattenwurf, eine dauerhaft blinkende Beleuchtung in der Nacht, sowie die banale Beeinträchtigung der freien Sicht auf die Natur. Für viele Menschen ist das störend und stellt eine Beeinträchtigung der Lebensqualität dar.
Was ist die Schlussfolgerung?
Es ist logisch, dass wir nicht dauerhaft fossile Energieträger wie Kohle und Gas verbrennen können. Diese Energieträger sind endlich und gehen uns daher irgendwann aus. Deshalb ist ein langfristiger Wechsel auf andere Formen der Stromerzeugung sinnvoll.
Windenergie ist eine dieser möglichen Formen. Allerdings bringt sie in Form von Onshore-Windkraftanlagen Nachteile mit sich, die nicht einfach übersehen werden dürfen.
Die zuletzt erwähnten kleinen Themen sind leicht zu lösen. Der periodische Schattenwurf wird durch Abstandsregeln gelöst und die dauerhafte Beleuchtung kann durch „bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung“ vermieden werden. Die Anlagen leuchten dann nur, wenn tatsächlich ein Flugzeug in der Nähe ist. Auch der Vogelschlag kann durch geeignete Sensoren und Planung reduziert werden. Die Anlagen werden dann bei Bedarf abgeschaltet, sodass die Tiere nicht durch die Rotoren erfasst werden können. All diese Maßnahmen müssen für neue Anlagen verpflichtend sein und sollten auch für bestehende Anlagen je nach technischer Machbarkeit verpflichtend werden.
Für Windkraftanlagen im Wald ist ein Moratorium des Ausbaus erforderlich, bis belastbare Forschungsergebnisse über deren Auswirkungen auf die Wälder vorliegen. Genauso soll ein angemessener Abstand zu Wohngebieten eingehalten werden, bis eindeutige Forschungsergebnisse zur Auswirkung des Infraschalls der Anlagen auf den Menschen vorliegen.
Neue Anlagen sollten strengere Vorgaben erfüllen. Aktuell kommen im Durchschnitt vom theoretischen maximalen Wirkungsgrad von 59% tatsächlich nur 45% im Netz an.[16]
Neue Anlagen müssen effizienter sein. Zudem sollten bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen oder Windparks strenge Maßstäbe (sinkende Strompreise, Entfall von Subventionen, abnehmende Windhöffigkeit, Kapazität der Netze) herangezogen werden, damit keine Anlagen an schlecht oder nicht geeigneten Standorten gebaut werden, deren Wirtschaftlichkeit nur auf Subventionen und staatlicher Förderung beruht.
Die pauschale Verwendung von ca. 2% der Landfläche je Bundesland für Windkraftanlagen, wie sie im Windenergieflächenbedarfsgesetz festgelegt ist,lehnen wir ab. Diese Vorgabe missachtet die unterschiedliche Eignung der Bundesländer für Windenergie.[17]
Einige der Probleme von Onshore-Windkraftanlagen, wie z. B. schlechte Wirkungsgrade, die Flächenversiegelung und Konflikte mit Wohnbebauung können durch leistungsstarke Offshore-Windkraftanlagen vermieden werden. Wir plädieren daher dafür, mehr auf Offshore-Anlagen, anstatt auf Onshore-Anlagen zu setzen.
Dringender ist jedoch die generelle Systemfrage. Anstatt in einem blinden Aktionismus immer neue Windräder zu bauen, die nur mit 22% Auslastung arbeiten, muss die Effizienz des Systems gesteigert werden. Das heißt, es muss zum einen dafür gesorgt werden, dass die bestehenden Anlagen nicht aufgrund von Netzengpässen abgeschaltet werden müssen, zum anderen muss dafür gesorgt werden, dass die Anlagen auch dann laufen, wenn der Strom gerade nicht verbraucht wird oder aufgrund eines Engpasses nicht zum Verbraucher transportiert werden kann. Der ungenutzte Strom muss also gespeichert werden. Vorher ist ein weiterer Zubau neuer Anlagen nicht sinnvoll.
Die Verwendung von Speichertechnologien hat nicht nur den Vorteil, dass die Windräder auch laufen können, wenn gerade kein Strom gebraucht wird, sondern dass Strom aus den Speichern verwendet werden kann, wenn gerade kein Wind weht. Um das Gesamtsystem widerstandsfähig zu machen und die Volatilität der Windenergie zu kompensieren, muss daher ein besonderer Fokus auf der Entwicklung geeigneter Speichertechnologien liegen.
Schließlich muss die Entschädigung bei einer Abschaltung aufgrund von Netzengpässen abgeschafft werden. Durch diese Zahlungen wird das unternehmerische Risiko für die Anlagenbetreiber auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die Folge ist, dass zu viele Windräder an ungeeigneten Standorten gebaut werden, obwohl von vornherein klar ist, dass der Strom dieser Anlagen nicht verwertet werden kann. Wird dieser Fehlanreiz abgeschafft, hat das automatisch zur Folge, dass Windkraftanlagen nur noch an geeigneten Standorten gebaut werden, da das dann im eigenen Interesse der Investoren liegt.
Der Wechsel auf andere Formen der Stromerzeugung darf nicht angstgetrieben und übereilt erfolgen. Das führt nur dazu, dass wir Geld aus dem Fenster werfen, ein instabiles Energiesystem erzeugen und Strom verteuern. Bezahlbare und sichere Energie ist die Grundlage unseres industriellen Wohlstands. Insgesamt sollten wir dem Thema also etwas Wind aus den Segeln nehmen und neue Anlagen ausschließlich dort bauen, wo sie unter den aktuellen Gegebenheiten effizient, umweltverträglich und wirtschaftlich genutzt werden können und in der Zwischenzeit den Fokus darauf legen, das bestehende System effizienter zu machen.
[1] https://www.windguard.de/windenergiestatistik.html;
[2] https://www.enercity.de/magazin/unsere-welt/flaechenbedarf-windkraftanlage
[3] https://www.tagblatt.ch/leben/stromversorgung-atomkraft-ja-bitte-sagt-ein-ehemaliger-akw-gegner-ld.2430323
[4] https://www.lee-nrw.de/blog/neues-vom-bgh-in-sachen-eisman-oder-wann-liegt-ein-entschaedigungspfli/
[5] https://www.enbw.com/unternehmen/themen/windkraft/warum-windraeder-stillstehen.html
[6] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssicherheit/Netzengpassmanagement/start.html
[7] https://www.next-kraftwerke.de/wissen/netzreserve-kapazitatsreserve-sicherheitsbereitschaft
[8] https://www.merkur.de/wirtschaft/strompreis-auf-rekordhoch-kohlekraftwerke-muessen-bei-gefuerchteter-dunkelflaute-einspringen-zr-93406667.html
[9] https://www.nzz.ch/visuals/windkraft-in-deutschland-grosse-versprechen-kleine-ertraege-ld.1710681
[10] https://www.enbw.com/unternehmen/themen/windkraft/wind-im-wald.html
[11] https://naturwald-akademie.org/viel-wind-um-die-windkraft-im-wald/
[12]https://www.enbw.com/unternehmen/themen/windkraft/windkraftanlagen-infraschall.html
[13] https://www.lfu.bayern.de/buerger/doc/uw_117_windkraftanlagen_infraschall_gesundheit.pdf;
[14] https://polit-x.de/de/documents/2269372/
[15] https://energiewende.eu/windkraft-vogelschlag/; https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/wissen/15018.html
[16] https://www.wind -energie.de/themen/anlagentechnik/funktionsweise/energiewandlung/