Große legt 10-Punkte-Plan für mehr sichtbare Polizei vor
In den meisten Bundesländern wurden in den letzten Jahrzehnten zu wenig Polizisten ausgebildet und eingestellt, Überstundenberge sind angehäuft, das Durchschnittsalter ist gestiegen.
Die perspektivische Gefahrenlage ist seit Jahren völlig falsch eingeschätzt worden. “Es gibt Personalplanungsfehler wie im Lehrerbereich. Alle Versprechen auf mehr Polizei wirken erst Jahre später und schließen maximal die Lücke, die durch den Altersabgang gerissen wird. Eine ehrliche Debatte – auch zu Lösungen – findet nicht statt”, beklagt Bundesvorsitzender Steffen Große. “Wir brauchen kurzfristig mehr sichtbare Polizisten in Stadt und Land. Viele Bürger fühlen sich in ihren Kommunen nicht mehr sicher. Die Polizei muss sich wieder mehr auf die Verfolgung und Aufklärung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten konzentrieren können, indem man sie von zweitrangigen Aufgaben entlastet.
„Die Übertragung solcher Aufgaben ist eine Verschwendung von Einsatzmitteln und wichtiger Ressourcen”, sagt Große. Er fordert zudem den steten Ausbau und die qualifizierte Ausbildung der Beschäftigten der Ordnungsämter, die rechtlich Ortspolizeibehörde sind.
Bündnis Deutschland stellt hierzu einen 10-Punkte-Plan vor:
1. Die Begleitung von Gefahr- und Schwerlasttransporten soll ausschließlich zertifizierten Unternehmen übertragen werden. Die Aufgabenzuweisung durch die Verkehrsbehörden an die Polizei ist nicht schlüssig.
2. Die Bearbeitung von Verkehrsunfallaufnahmen ohne Personenschaden war grundsätzlich noch nie eine originäre Aufgabe der Polizei und diente als Serviceleistung für Versicherungen. Diese Aufgabe sollte künftig von den Ordnungsämtern übernommen werden. Das würde etwa 12% mehr Polizei für andere Aufgaben freisetzen.
3. Die Kontrolle von Geschwindigkeiten und Mindestabständen wurde bundesweit durch technische Lösungen realisiert. Weitere personalgestützte Tempokontrollen durch Polizeikräfte der Länder hält Bündnis Deutschland nicht für erforderlich. Auch hier sollten künftig die Ordnungsämter tätig werden.
4. Die Überwachung des ruhenden Verkehrs ist keine originäre Aufgabe der Polizei. Hier sollten die Ordnungsämter komplett übernehmen, die bereits heute rechtlich alle erforderlichen Maßnahmen umsetzen dürfen. Darunter fallen auch Fahrzeug-Umsetzungen.
5. Auch das Einsatzstichwort „Unzulässiger Lärm“ kann künftig durch das Ordnungsamt bedient werden. Gefährderansprachen im ersten Schritt erfordern nicht die Präsenz von Polizeivollzugsbeamten.
6. Die Sachbearbeitung in den Revieren kann weitgehend von Beschäftigten erledigt werden, die nicht zwingend Polizeivollzugsbeamte sind. Hier sollten, da wo es Sinn macht und möglich ist vornehmlich Verwaltungsmitarbeiter oder Polizeikräfte eingesetzt werden, die keine Außendiensttauglichkeit mehr besitzen. Mit Blick auf KI-Lösungen hält Bündnis Deutschland auch den Einsatz von technisch versiertem Nicht-Polizei-Personal in den Behörden für die Ermittlungsarbeit für machbar und hilfreich. Auch das entlastet die klassisch ausgebildete Polizei.
7. Die bisherigen Polizeireformen der Länder führten zumeist in die falsche Richtung, denn die örtliche Zusammenführung in größere Reviere – nicht selten am Stadtrand – führt(e) zu langen Fahrzeiten zum Einsatzort und zum Rückzug aus der Fläche. Deshalb schlägt Bündnis Deutschland eine Dezentralisierung der größeren Reviere vor. Letztlich muss die Polizei auch im ländlichen Raum präsent sein. Zudem müssen die Dienststellen straffer und klarer organisiert werden. Das Dienstgruppenmodell benötigt Manpower auf der Straße und keine Aufgabenüberschneidungen und Klein-Klein-Sachbearbeitungen in den Dienststellen.
8. Einhergehend mit der Dezentralisierung sollte der Kontaktbereichsbeamte als Fußstreife wieder zum täglichen Bild des „Schutzmannes“ gehören. Ein Polizist auf der Straße fängt viele Dinge ab, die sonst einen Streifenwagen binden würde. Zudem steigert die Präsenz das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und führt zu einem gefestigten Kontakt zwischen Polizei und Bürger, aber auch Gewerbetreibenden.
9. Durch attraktive Laufbahnmodelle und Aufhebung von Aufgabenbeschränkungen, z. B. bei Ermittlungsdiensten, sollte den Polizisten ein schnelleres und leichteres Aufsteigen möglich sein. So werden vor allem in den Dienstgruppen Planstellen frei, die man unkomplizierter nachbesetzen könnte.
10. Die Anregungen der Werthebach-Kommission von 2010 sind erneut aufzugreifen und die Zusammenlegung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei herbeizuführen. Dann werden Doppelzuständigkeiten abgeschafft und Synergieeffekte erzeugt. Warum soll denn bspw. der Bereich Personenschutz eine kriminalpolizeiliche Aufgabe sein, die auf Bundesebene ohnehin größtenteils von Beamten der Bundespolizei übernommen wird, weil das BKA selbst zu wenig Kräfte hat? Bündnis Deutschland will erreichen, dass die Polizeibeschäftigten entlastet werden und sich auf ihre originären Aufgaben konzentrieren können.
Das Berliner Vorstandsmitglied Carsten Schanz verweist auf die verfehlte Personalpolitik in der Hauptstadt mit massiven Auswirkungen, die leider täglich in der Zeitung stehen. Die Reiterstaffel wurde abgeschafft, die Wasserschutzpolizei reduziert und Einsätze der Bereitschaftspolizei sind ohne Unterstützung der Bundespolizei überhaupt nicht mehr denkbar. „Gerade die Bundespolizei wird durch die Länder zwangsläufig ausgenutzt, weil diese ihre Aufgaben nicht mehr eigenständig bewältigen können. Hier muss ein Umdenken einsetzen, so wie auf Bundesebene allgemein“, fordert Schanz. Dazu gehört auch die Zusammenlegung der Vollzugskräfte des Zolls. „Wir begrüßen die von der Gewerkschaft der Polizei geforderte Errichtung einer schlagkräftigen Bundesfinanzpolizei“, sagt Schanz.