Positionspapier 10-23-1
BÜNDNIS DEUTSCHLAND wendet sich gegen die drohende Deindustrialisierung und fordert eine Energiesicherheit unserer Industrie zu bezahlbaren Kosten.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland befindet sich im Sinkflug und fällt in internationalen Vergleichsstudien immer weiter zurück. Die dramatisch gestiegenen Energiekosten führen nun dazu, dass aus dem Sinkflug ein Sturzflug wird, weil Deutschland im internationalen Wettbewerb immer weniger mithalten kann.
Die Ursachen der hohen Energiepreise sind in weiten Teilen hausgemacht, aber trotz der absehbaren wirtschaftlichen Schäden, wird am Kurs der Energiewende festgehalten. Um einige Ursachen zu nennen: Hohe Abgaben und Steuern auf Energie, der Ausstieg aus der Atomenergie, der schleppende Ausbau erneuerbarer Energien, die Preisbildung auf der Basis der am teuersten produzierten Energieeinheit (Merit Order) sowie die Abhängigkeit von – schon durch den Transportweg günstigerem – russischen Gas, das seit rund einem Jahr nicht mehr zur Verfügung steht.
Die Gas- und Strompreise haben sich im Vergleich zu dem Durchschnitt der letzten Dekade mehr als verzehnfacht. Als Folge hat Deutschland im internationalen Vergleich besonders hohe Energiepreise und die höchsten Strompreise in der Europäischen Union. Die Energiepreise werden damit zur Herausforderung bzw. Überforderung, nicht nur für energieintensive Unternehmen, sondern für die gesamte produzierende Wirtschaft, wie eine Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) unter 600 mittelständischen Unternehmen aufzeigt.
Auch die Europäische Union sieht die Situation in Deutschland mit Sorge: In einem vertraulichen Papier, das über den Springer-Verlag den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, Gegen die Deindustrialisierung: Für Energiesicherheit unserer Industrie zu bezahlbaren Kosten wird der deutschen Wirtschaft, insbesondere energieintensiven Branchen, eine schlechte Zukunftsfähigkeit bescheinigt.
Namhafte Traditionsunternehmen wie Hakle, das Eisenwerk Erla und die Aluminiumhütte Speira mussten bereits Insolvenz anmelden. Andere Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland. BASF schließt mehrere Produktionsstandorte in Deutschland und schaut sich u. a. in den USA und China nach neuen Möglichkeiten um. Das Merziger Werk Villeroy & Boch Fliesen wurde geschlossen und die Produktion in die Türkei verlagert. Der Autozulieferer Schaeffler hat angekündigt, die nächsten Werke im Ausland zu bauen. Diese Beispiele zeigen nur die Spitze des Eisbergs, weil Standortverlagerungen einen zeitlichen Vorlauf benötigen. So sieht die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) auf der Basis einer aktuellen Umfrage unter Mitgliedsunternehmen, Anzeichen einer weiter schleichenden Produktionsverlagerung ins Ausland. Das zeigt sich daran, dass die Kostenersparnis als Argument für Auslandsinvestitionen deutlich an Bedeutung gewonnen hat.
Die Schließung und Verlagerung von deutschen Produktionsstätten bedeutet nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen, sondern schränkt die Innovationsfähigkeit des Standortes Deutschland ein. Denn was hier nicht mehr produziert wird, wird auch hier nicht entwickelt. Hochkompetente Wissenschaftler und Entwicklungsingenieure werden abwandern, so wie es auch nach dem Atomausstieg beobachtet wurde. Auch eine staatliche Subventionierung von Energiepreisen, wie dem derzeitig eingesetzten Instrument des Energiepreisdeckels, geht deutlich zu Lasten des Staatshaushaltes und lässt dringend benötigte Investitionen z.B. in Zukunftstechnologien verpuffen.
BÜNDNIS DEUTSCHLAND fordert deshalb die zeitnahe Senkung der Energiepreise, um Unternehmen und Bürgern Vertrauen und Zukunftssicherheit zurückzugeben. Die Abschaltung der verbliebenen Atomkraftwerke am 15. April 2023 stellte in der aktuellen Situation eine ideologisch motivierte, grundfalsche Maßnahme dar.
Atomstrom als kostengünstige Stromquelle fällt weg, was die heimische Stromerzeugung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zukünftig weiter verteuert. Hinzu kommt, dass die Versorgungslücke nicht mit heimischen Kraftwerken geschlossen werden kann, sodass der fehlende Strom aus dem Ausland – insbesondere aus französischen Atomkraftwerken und polnischen Kohlekraftwerken – importiert wird. Den Gesamtstrommix auf dem deutschen Markt dann als CO2-reduziert und kernenergiefrei zu bezeichnen, ist darüber hinaus schlichtweg eine Verzerrung der Wirklichkeit. Deshalb muss als erste wirksame Maßnahme die Entscheidung zum Atomausstieg, insbesondere angesichts der geänderten Rahmenbedingungen, zeitnah revidiert werden.
Joachim Bühler, Präsidiumsmitglied des TÜV, wurde im Januar 2023 nach der Möglichkeit zur Reaktivierung der Ende 2022 außer Betrieb gesetzten Atommeiler Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C befragt. “Diese Anlagen zählen zu den sichersten und technisch besten Kraftwerken, die es weltweit gibt”, lässt sich Bühler zitieren. Weiter sagte er über diese Anlagen, sie seien “in einem exzellenten Zustand.”
Eine Wiederinbetriebnahme wäre deshalb “keine Frage von Jahren, sondern eher von wenigen Monaten oder Wochen”. Diese Aussagen gelten auch für die letzten drei Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, die im April 2023 abgeschaltet worden sind.
BÜNDNIS DEUTSCHLAND fordert daher, alle stillgelegten Atomkraftwerke, die ohne größere Maßnahmen wieder hochgefahren werden können, so schnell wie möglich zurück ans Netz zu bringen, um die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie sicherzustellen.